Kleingärtner

Milan 95: Vereinsauflösung nach viel Protest

Das Gleisdreieck ist bebaut, dort gibt es 780 Wohnungen für Geflüchtete. Der Verein milan 95 hat sich jahrelang gegen die Bebauung der Grünfläche in irgendeiner Form engagiert.

Das Gleisdreieck ist bebaut, dort gibt es 780 Wohnungen für Geflüchtete. Der Verein milan 95 hat sich jahrelang gegen die Bebauung der Grünfläche in irgendeiner Form engagiert.

Foto: Thomas Heyen

Billwerder. Kleingärtner und Anwohner haben 24 Jahre lang gegen Bebauung am Mittleren Landweg gekämpft – Vorstand „will nicht mehr“.

Billwerder. Das Ziel war der Erhalt der grünen Wiese am Mittleren Landweg, „als Korridor für die Wanderungen der Tiere zwischen den Naturschutzgebieten Boberger Dünen und Die Reit“, sagt Bruno Lehmann. Der Verein milan 95 hat es trotz etlicher Anstrengungen verfehlt, denn dort steht inzwischen die Flüchtlingssiedlung Gleisdreieck.

Das zweite Ziel des 2005 gegründeten Vereins wurde hingegen erreicht: Die Kleingärtner in der an die neue Siedlung angrenzenden Kolonie Sonnengrund müssen nicht mehr den Abriss ihrer Lauben fürchten. Der Fortbestand der Kolonie ist im Bürgervertrag zwischen Stadt und Bürgerinitiative (BI) festgeschrieben. In der BI waren auch milan-95-Mitglieder vertreten.

Weil sich beide satzungsmäßigen Zwecke des Vereins erledigt haben, wird milan 95 nun aufgelöst. „Die Mitglieder haben den Beschluss mehrheitlich gefasst“, sagt Bruno Lehmann. Er will nun einen Notar beauftragen.

Ein Verein als Gegengewicht zur Bezirkspolitik

Niemand wolle milan 95 als reinen Naturschutzverein weiterführen, betont Lehmann. Der 78-Jährige ist und war der einzige Vorsitzende des Vereins, wurde fünfmal wiedergewählt. „Schon kurz nach der Gründung hatten wir 200 Mitglieder, heute sind es noch 130 – Anwohner und Kleingärtner aus Billwerder und Allermöhe“, sagt er: „Der Vorstand ist nun in einem höheren Alter, kann und will nicht mehr.“

Der in Eilbek lebende Senior pachtete 1968 im Gartenbauverein 603 am Mittleren Landweg einen Garten, den er jetzt nach 51 Jahren „aus gesundheitlichen Gründen“ abgab. Fast zwei Jahrzehnte lang war Lehmann zudem Vorsitzender des Gartenbauvereins. Sein Geld verdiente er als Manager in verschiedenen Banken und Versicherungen.

Lehmann und seine Mitstreiter gründeten milan 95, „als Gegengewicht zu Politik und Verwaltung“, sagt er rückblickend. Die Wünsche der Bürger sollten gehört, „nicht flächendeckend Bauplanung“ betrieben werden.

1995 ein neuer Flächennutzungsplan

Denn ein neuer Flächennutzungsplan, den die Stadt 1995 präsentierte, wies das Gleisdreieck als Gewerbefläche aus. Der Plan war der Grund für den organisierten Protest der Anwohner und Kleingärtner vom Mittleren Landweg. Deshalb war 1995 das eigentliche Geburtsjahr von milan 95: Die Protestierenden hatten sich bereits zehn Jahre vor der Vereinsgründung zur Bürgerinitiative zusammengeschlossen.

Ob der Protest überhaupt etwas bewirkt habe? „Wir hatten einen gewissen Ruf. Und die an der Gewerbefläche interessierten Unternehmen wussten, dass sie in ihrem Umfeld nicht auf Wohlwollen stoßen.“ Die Unternehmen – darunter ein Autohaus und ein Großhandelsunternehmen – habe aber eher die schlechte Infrastruktur vor Ort und vor allem der Marsch­boden mit seinen Torfeinlagerungen abgeschreckt. „Die Gründungsarbeiten hätten die Firmen viel Geld gekostet.“

Einfluss auf die Bezirkspolitik

In erster Linie habe der Verein aber Einfluss auf die Bezirkspolitik genommen, betont der 78-Jährige. „Wir waren über Jahre bei jeder Bezirksversammlung und haben unser Fragerecht wahrgenommen.“ Milan-95-Aktivisten demonstrierten gegen Bauvorhaben in Bergedorf und auch vor dem Hamburger Rathaus.

Denn im Laufe der Jahre gab es „viele Versuche der Stadt, die Fläche zu nutzen und zu bebauen“. Auch Wohnungsbau war schon lange vor der Ausnahmegenehmigung für den Bau der Flüchtlingssiedlung vorgesehen. „Die Teilräumliche Entwicklungs-Planung, kurz TEP, sah eine Neugestaltung rund um den Mittleren Landweg vor.“ Alles habe verhindert werden können, „bis auf die Flüchtlingssiedlung“.

Milan 95 unterstützte die Klage gegen den Siedlungsbau mit 4000 Euro für die Anwaltskosten. Die Klage wurde abgewiesen, „weil es der BI um Anliegerbelange ging“, sagt Lehmann. Er hatte sich eine andere Stoßrichtung gewünscht: „Das Umweltgutachten war nicht ausreichend.“